Reißverschlussverfahren beachten
Wann haben Autofahrer das Reisverschlussverfahren zu beachten?
Amtsgericht München Urteil v. 7.3.2012, 334 C 28675/11.
Verkehrsstaus sind Autofahreralltag. Sie sind zwangsläufig hinzunehmen. Weniger akzeptabel sind Verkehrsteilnehmer, die sich rücksichtslos verhalten und mit ihrem Verhalten zur Entstehung von Verkehrsstaus beitragen. Gerade wenn es um das Einfädeln in die benachbarte Fahrspur geht, berufen sich manche auf das vermeintlich geltende Reißverschlussverfahren.
Was ist das Reißverschlussverfahren?
Das Reißverschlussverfahren ist in § 7 Abs. IV StVO geregelt. Es ist nur in bestimmten Verkehrssituationen maßgebend. Es ist kein Allerweltsmittel, das jederzeit zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Ist auf einer Straße mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, dann und nur dann, ist den weiterfahrenden Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen zu ermöglichen. Der Übergang erfolgt im Reißverschlussverfahren, also in der Weise, dass sich die Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem jeweils auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen. Diese Vorschrift engt also das Reißverschlussverfahren sehr wohl auf eine bestimmte Verkehrssituation ein.
Wann gilt das Reißverschlussverfahren?
Maßgeblich kommt es darauf an, dass das Reißverschlussverfahren nur bei Wegfall einer Fahrspur Geltung hat. Wird die Fahrbahn also beispielsweise durch ein liegengebliebenes Fahrzeug oder einen Laster blockiert, so dass ein Spurwechsel erforderlich ist, soll das Reißverschlussverfahren, so das AG München, gerade nicht gelten. Dabei übersieht das Gericht aber möglicherweise, dass das Gesetz das Reißverschlussverfahren auch erlaubt, wenn auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifen wegen eines Hindernisses schlicht nicht möglich ist.
Typischer Fall des Reißverschlussverfahrens ist die Baustelle auf der Autobahn. Ist die linke Fahrspur gesperrt oder verengt sich eine zweispurige Schnellstraße auf eine Spur, dürfen die linksfahrenden Fahrzeuge im Reißverschlussverfahren nach rechts wechseln und umgekehrt. Allein der Umstand, dass es sich bei Fahrzeugen auf der linken Fahrspur oft um Fahrzeuge mit scheinbar „werksseitig eingebauter Vorfahrt“ handelt, ist nicht der maßgebliche Gesichtspunkt. Das Reißverschlussverfahren kann auch nicht auf dem Beschleunigungsrandstreifen der Autobahn beansprucht werden. Wer dort auffährt, muss die Vorfahrt des durchgehenden Verkehrs beachten (§ 18 Abs. III StVO). Der auffahrende Autofahrer ist wartepflichtig (OLG Köln 16 U 24/05).
Ist die Verkehrssituation so, dass die rechte stauende Fahrspur gerade ausführt und die linke, völlig freie Fahrspur eine Abbiegerspur ist, gilt das Reißverschlussprinzip nicht. Es handelt sich eben nicht um eine Straße mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung. Fahrzeuge, die die linke Fahrspur nutzen, um dann möglichst weit vorne einscheren zu wollen, werden von Verkehrsrowdys gefahren. Die sich rechts stauenden Verkehrsteilnehmer sind die Dummen. Die Einscherer erhöhen das Staupotential. Verweigern die „Dummen“ das Einscheren der scheinbaren Linksabbieger, kommt es oft zur streitigen Auseinandersetzung, in denen Begriffe wie Nötigung und Beleidigung die Wortwahl bestimmen.
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Siehe auch: Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall