Wann ist ein Sachverständiger einzubeziehen?

Wann können Gerichte aufgrund eigener Sachkunde entscheiden und wann ist ein Sachverständiger einzubeziehen?

Bundesgerichtshof, Urteil v. 13.1.2015, VI ZR 204/14

Ein Gericht kann einen Verkehrsunfall, bei dem es auf Fachwissen ankommt, aufgrund seiner eigenen Sachkunde nur dann entscheiden und darf auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde vorweisen kann. Dabei ist der Richter verpflichtet, die Parteien des Rechtsstreits darauf hinzuweisen, dass er eine Entscheidung aus eigener Sachkunde treffen will.

Wer haftet, wenn das Pferd scheut?

Im Fall ging es um ein scheuendes Pferd. Die Pferdehalterin führte das Tier auf dem Grünstreifen einer Straße entlang und ging selbst auf dem Asphalt. Von hinten näherte sich ein Pkw. Das Pferd scheute, wich Richtung Pferdehalterin aus und verletzte diese. Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers lehnte Schadenersatz und Schmerzensgeld ab. Das angerufene Gericht entschied ohne Beiziehung eines Sachverständigen.

Wie entscheiden Gerichte bei Verkehrsunfall?

Zunächst ist es so, dass der Richter „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ entscheidet (§ 287 ZPO). Ob er eine Beweisaufnahme durchführt oder einen Sachverständigen beizieht, bleibt seinem Ermessen überlassen. Geht es im Rechtsstreit allerdings um die Beurteilung einer Frage, die Fachwissen erfordert, darf er aufgrund eigener Sachkunde nur entscheiden, wenn er tatsächlich eine eigene besondere Sachkunde besitzt und die Parteien informiert, dass er aufgrund eigener Sachkunde entscheiden möchte. Tut er dies nicht, liegt ein „Ermessensfehlgebrauch“ vor.

So begründete die Vorinstanz ihre „Sachkunde“ ohne Sachverständigengutachten

Im Urteil des OLG als Vorinstanz hieß es: „Aufgrund eigener Sachkunde jedenfalls der Senatsvorsitzenden ist dem Senat bekannt, dass auch an den Straßenverkehr grundsätzlich gewöhnte Pferde durch unverhofftes Zurseitespringen, plötzliches Rückwärtsgehen oder fluchtartiges Vorwärtsstürmen auf eine subjektiv wahrgenommene Gefahr reagieren können, wodurch sich ein unberechenbares und oftmals schwer bis gar nicht zu beherrschendes Verhalten begründet, mit dem ein Reiter bzw. ein Pferdeführer zu rechnen hat. Aufgrund der Sachkunde seiner langjährig im Umgang mit Pferden erfahrenen Vorsitzenden ist der Senat der Überzeugung, dass dies einen Umstand darstellt, der dazu geeignet ist, ein für den Fall von Gefahren grundsätzlich durch Flucht reagierendes Tier zutiefst zu verunsichern, zumal sich die Unsicherheit der Klägerin auf ihr Pferd übertrug, denn es ist allgemein bekannt, dass Pferde Unsicherheitssignale des Reiters oder Pferdeführers sehr genau registrieren.“
Im Fall kam hinzu, dass der Kläger ein privates Sachverständigengutachten vorlegte, das das Gericht nicht hinreichend gewürdigt habe. Der Privatgutachter hatte festgestellt, dass sich die Pferdehalterin ordnungsgemäß verhalten habe. Sie hatte das Pferd so ausgerichtet, dass es den herankommenden Pkw habe wahrnehmen können. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, das Pferd noch weiter auf den Grünstreifen zu führen (Tierhalterhaftung). Da das Gericht dieses Privatgutachten nicht angemessen berücksichtigte, sah der BGH darin die Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör. Der BGH verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurück.

Fragen Sie einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht in München

Sofern Sie in einem ähnlichen Fall, bei dem es auf die Einschätzung eines Sachverständigen ankommt, betroffen sind, kann ich, Rechtsanwältin Catharina Rossmeisl, Sie gerne beraten und vor Gericht vertreten. Wichtig ist, in Fällen dieser Art frühzeitig die Weichen richtig zu stellen. Ich bin Fachanwalt für Verkehrsrecht in München und kenne das Verfahrensrecht aus dem Effeff.

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